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PATMOS - Die Offenbarung des Johannes

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2018-07-30 2023-12-06 30.07.2018
Apokalypse Offenbarung Patmos 0006
Patmos, die Offenbarung des Johannes

Es klingt wie die klassische Exilgeschichte. Ein Mann wird verbannt und findet in einem neuen Land Unterschlupf. Dort geht ein Wandel in ihm vor und was daraus entsteht, soll sich als Textstück tief in den Köpfen der Menschen festsetzen.

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Patmos, die Offenbarung des Johannes

Die Rede ist vom Evangelisten Johannes. Der Legende nach muss man in das Jahr 95 reisen, um seinen Weg mitzugehen. Zu dieser Zeit litten die frühchristlichen Gemeinden unter der Verfolgung von Kaiser Domitian. Johannes wirkte derweil in Ephesus und auch wenn er viele bekehrte und Wundertaten vollbrachte, so hatte er nicht nur Befürworter. Vor allem paganen Kulten war er ein Dorn im Auge, da er nicht wie sie die Opfer vor den Göttern vollbrachte, sondern sich weigerte und sogar ihre Priester bekehrte. Sie veranlassten, dass man ihn ergriff und nach Rom brachte. Schenkt man den antiken Schreiben glauben, so wurde er dort verhört, gefoltert und erlitt das Öl-Bad-Martyrium. Doch anstatt im siedenden Ölkessel zu vergehen, entstieg er wieder daraus, als hätte er gerade ein erfrischendes Bad genommen. Darauf folgte die Verbannung auf die Insel Patmos. Von hier sollte die Offenbarung des Johannes auf der Welt verbreitet werden.

Off 9,1: Ich, Johannes, euer Bruder und Gefährte in der Bedrängnis, der mit euch teilhat an der Herrschaft und mit euch in Jesus ausharrt, ich bin auf die Insel Patmos gekommen - um des Wortes Gottes und des Zeugnisses Jesu willen. 

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Patmos, die Offenbarung des Johannes

Die Ambivalenz, welche dieses Geschehen hat, lässt sich aus unserer heutigen Sicht kaum nachvollziehen. Das Exil, in das Johannes geschickt wurde, war eine der härtesten Strafen, welche die Antike zu bieten hatte. Schaut man sich die moderne Exilliteratur an, so kann man erahnen, welchen Schmerz die Verbannung mit sich brachte. Es war eine Ausstoßung aus der Gesellschaft. Ein Fortschicken in die Verwahrlosung, in die soziale Abkapselung. In dieser Situation findet sich Johannes wieder. Er landet auf einer unglaublich kargen und leblosen Insel und sucht Unterschlupf. Erschöpft findet er eine Höhle, in die er hineintritt, seinen Kopf gegen die Wand lehnt, sich ausruht und ein Gebet spricht. Und dann kommt sie, die völlig überwältigende Vision. Mit einem Grollen ziehen sich drei Risse durch die Decke und hinter ihm spricht die Stimme Gottes. Völlig ergriffen schreibt er die Worte mit seinem Schüler nieder und trägt somit zum letzten Buch in der Bibel bei, wie wir sie in der heutigen Form kennen.

Off 9,10f: Am Tag des Herrn wurde ich vom Geist ergriffen und hörte in meinem Rücken eine mächtige Stimme wie von einer Posaune, die sprach: Was du zu sehen bekommst, das schreibe in ein Buch und schicke es den sieben Gemeinden: nach Ephesus, nach Smyrna, nach Pergamon, nach Thyatira, nach Sardes, nach Philadelphia und nach Laodizea. 

Die Bedeutung der Insel Patmos

Agios Ioannis Kloster Patmos 0001
Agios Ioannis Kloster Patmos

Heute hat die ehemals bedeutungslose Insel Patmos einen völlig neuen Stellenwert. Durch die Offenbarung Gottes, die Theophanie in der Grotte des Johannes, ist Patmos zu einem bedeutenden Ort für das Christentum geworden. 

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Patmos, die Offenbarung des Johannes

Zum einen durch die Grotte selbst. Folgt man einem Weg von der Hafenstadt Skala zur Inselhauptstadt Chora, so kommt man über viele Stufen zur Grotte der Apokalypse. Wendet man den Kopf zu den Seiten, sieht man am Weg Kapellen, Mönchszellen und viele weitere Bauwerke, welche den bedeutungsvollen Weg weisen. Steigt der Wallfahrer in die Grotte selbst hinab, so kann er noch heute die mystische und erfüllte Atmosphäre erahnen, die dereinst Johannes selbst gefühlt hat. Die Decke zeigt mit ihren drei Rissen – ein Symbol für die Dreifaltigkeit Gottes – direkt auf den Besucher hinab. Auf der einen Seite ist die Kirche Agios Ioannis Theologos eingebettet, auf der anderen die Agia Anna, um dem Gläubigen und seinen Bedürfnissen gerecht zu werden. Hier muss man nun stehen bleiben, den Raum auf sich wirken lassen und das spüren, was Johannes’ Schüler Prochoros gespürt hat, als Johannes ihm die Worte diktierte: 

Off 1,8: Ich bin das Alpha und das Omega, spricht Gott, der Herr, der ist und der war und der kommt, der Herrscher über das All.

Das andere bedeutungsvolle Zentrum von Patmos ist das Kloster des Heiligen Johannes des Theologen. Patmos lag nach dem 7. Jh. durch Piraterie und Überfälle brach und war bis zum Ende des 11. Jhs. unbewohnt. Erst der Selige Christodoulos erkannte den Wert der Insel wieder. Nachdem er auf dem fruchtbaren Kos ein Kloster errichtet hatte und merkte, dass ihn sein asketisches Leben zu einer ruhigeren und abgeschiedeneren Insel zog, tauschte er Kos bei Kaiser Alexios Komnenos I gegen das einsame und karge Patmos ein. 1088 gründete er mit Mitbrüdern das Kloster, welches durch zahlreiche Umbauten und Erneuerungen gut erhalten, noch heute wie eine Festung auf der Insel thront. 

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Patmos, die Offenbarung des Johannes

Sein Aussehen verdankt es vor allem der schwierigen Lage von Patmos. Zwar erwarb das Kloster durch die Zeit hindurch oft Privilegien bei unterschiedlichen Eroberern, doch musste es sich auch  vor Kämpfen, Piraterie und Raub schützen. So kam es beispielsweise im 17. Jh. zu den venezianisch-türkischen Kämpfen um den Besitz von Kreta. In diesem Zuge wurde auch Patmos geplündert und weitgehend verwüstet. Nach den Venezianern kamen andere und so blieb Patmos bis 1912 schließlich unter ottomanischer Herrschaft. In der nachfolgenden Zeit wechselte es ständig den „Besitzer“ bis es schließlich 1947 als Insel der Dodekanes mit Griechenland vereinigt wurde.

Patmos 0001
Agios Ioannis Kloster Patmos

Trotz der äußerst schwierigen Lagen, in denen sich das Kloster in fast 1000 Jahren Bestehen oft befand, hat es seinen majestätischen Glanz nicht verloren. Und der wahre Schatz hat somit bis heute überdauert. Das geistige Gut, das sich innerhalb der Mauern befindet.

Das Kloster des Heiligen Johannes des Theologen

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Agios Ioannis Kloster Patmos

Die heilige Insel Patmos wirkt mit ihrer ganzen Geschichte und der Offenbarung auf das Kloster ein. Der Geist, der einst Johannes beseelte und ihm den Beinamen „der Theologe“ einbrachte, lässt sich noch immer im Boden, in den Mauern und in den Menschen spüren. So ist es auch nicht verwunderlich, dass das Kloster des Heiligen Johannes ein wichtiges geistiges Zentrum der orthodoxen Kirche darstellt. Dabei handelt es sich um drei wesentliche Bereiche, in welchen das Kloster hervorsticht.

Kloster Agios Ioannis Patmos 0057
Ikone des Johannes des Theologen

Die Bibliothek hat eine tragende Stellung im Bereich der christlichen Theologie. So finden sich hier Handschriften der Evangelien. Der „Purpurkodex“ enthält beispielsweise Auszüge aus dem Markusevangelium und wird in das 6. Jh. datiert. Schon alleine diese Schrift ist für verschiedene wissenschaftliche Disziplinen von unschätzbarem Wert. Aber auch andere Handschriften, Predigten, Urkunden und Druckschriften aus dem byzantinischen Raum lassen sich hier finden. Der theologische und philosophische Schatz, der sich hier angehäuft hat, bietet eine wesentliche Grundlage für eine tiefgehende Theologie an diesem Ort.

Die Sakristei, die als Museum fungiert, trägt auf andere Weise  zum kulturellen Erbe bei. Hier sind Schenkungen zusammengetragen, welche dem Kloster im Laufe seiner Zeit gemacht wurden. So finden sich hier nicht nur Ikonen, die sich bis ins 11. Jh. datieren lassen, sondern auch Gewänder, Kreuze, Manuskripte, Reliquien und vieles mehr, das die Geschichte des Klosters und des Glaubensvollzugs aufzeigt. Auch der Stellenwert, den Patmos als heilige Insel einnimmt, wird anhand der Sammlung deutlich. Selbst die russische Kaiserin Katharina die Große hat beispielsweise zur Sammlung beigetragen.

Kloster Agios Ioannis Patmos 0069
Agios Ioannis Kloster Patmos

Diese beiden Pfeiler der Kultur und Geschichte führen zu dem, was das Kloster auch heute noch besonders macht. Aus der Tradition heraus bewahren die Mönche nicht nur das vor Ort, was über die lange Geschichte zusammengetragen wurde. Sie führen das Erbe auch fort und tragen das Feuer weiter. Im Jahre 2006 wurde das Informationszentrum für Orthodoxe Kultur eröffnet, als das Kloster mitsamt der Ortschaft Chora, die das Kloster umgibt, zum Weltkulturerbe der UNESCO erklärt wurde. Während hier vor allem Reisende, Pilger, Wissenschaftler und Touristen einen wertvollen Anlaufpunkt finden, ist auch die Seelsorge für die Gemeinde vor Ort ein wesentlicher Teil des Glaubensvollzugs. Das Zentrum für Familienfürsorge soll der Gemeinschaft helfen und sie stärken.

Ikonen Restaurierung Johanneskloster Patmos 0002
Agios Ioannis Kloster Patmos

Der  Geist, den der Evangelist Johannas der Theologe mit nach Patmos brachte oder dort fand, weht somit durch die Zeit hindurch. Er lässt sich auf der ganzen Insel noch finden und spüren. Egal ob man mit den Einwohnern spricht, die Klosterschätze bestaunt oder zur Offenbarungsgrotte pilgert. Die Zeit ist hier nicht stehengeblieben und hat nur alles, was angesammelt wurde, in den Mauern des Klosters bewahrt. Die Zeit ist weitergelaufen und lädt nun jeden Besucher, jeden Gast auf der heiligen Insel Patmos ein, dem Mysterium, das Johannes gespürt hat, nachzuspüren. Mit den Augen, mit den Ohren, mit dem Herzen.

Skala Patmos 0008
Skala, Patmos